Dusk. Anführer der Underdogs. Für Großes bestimmt. Lebt im Hier und Jetzt.
Abe. Auch Lolli genannt. Schillernd. Einhorn.
Alles was Dusk vom Leben will, ist mit seiner Band ganz groß rauszukommen. Und auf dem Weg dahin will er so viel Spaß wie möglich haben. Und viel Sex. Wenn er etwas haben möchte, dann nimmt er es sich, geradeheraus, egal was das für Folgen hat.
Als er also auf diesen Traumtypen mit dem rosafarbenen Haar trifft, der in etwa das menschliche Äquivalent von tätowierter Zuckerwatte ist, muss er ihn einfach vernaschen. Aber als Lolli dann im Tourbus der Band landet, weiß Dusk, dass das Bestimmung sein muss.
Abe ist jemand, der sich vom Strom des Lebens mittreiben lässt. Er trampte sowieso, also warum nicht eine Woche mit diesem Prachtexemplar von Rocker abhängen und sich in dessen heißem, langen Haar verlieren? Und warum nach außen nicht die Zuckerschnecke am Arm des Rockers mimen? Schließlich würde er nicht lange bleiben.
Alle Pläne gehen in Rauch auf, als Fotos von Abe und Dusk im Internet auftauchen und so die ganze Band in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit rücken. Um ihre plötzliche Popularität besser ausnutzen zu können, bietet die Band Abe Geld dafür, noch zu bleiben.
Aber das bedeutet auf einmal Geld für eine falsche Beziehung mit Dusk.
Die nicht einmal falsch ist.
Oder doch?
Thema: Rockband, alternative Lebensformen, Tätowierungen, Bisexualität, Bindung, Instalove, Bindungsangst, Ruhm, Coming Out, Leben auf Tour
Genre: Gegenwärtige M/M Rocker Romanze
Hitzegrad: Sengend heiß, ausdrückliche Szenen
Länge: ca. 52,000 Wörter, kann alleine gelesen werden, HEA
Bis zum Horizont erstreckten sich nichts als graue, sandige Hügel. Die vereinzelten hellgrünen Büsche darauf bildeten die einzigen Farbflecke. Der Ausblick wäre ganz interessant gewesen, wäre er nicht seit zwei Tagen unverändert derselbe. Und hätte der Bus über eine Klimaanlage verfügt. Aber leider hätte der Einbau einer Klimaanlage in einen General Motors Bus aus den Achtzigern das winzige Budget gesprengt, das die Underdogs zusammengekratzt hatten, um diesen Haufen Schrott in ein fahrbares Zuhause für ihre erste richtige Tour zu verwandeln.
So brutzelte die Hitze ihnen die Gehirne in ihren Köpfen, auf den Betten lagen Matratzen aus zweiter Hand, die möglicherweise noch älter waren als der Bus selbst, und die Angst vor einem endgültigen Motorschaden hing als Damoklesschwert die ganze Zeit über ihnen.
Soweit waren sie immerhin gekommen. Allerdings wurde es mit jedem Tag, mit dem sie ihrem Zuhause in Kalifornien näher kamen, schwieriger es auf dem engen Raum miteinander auszuhalten und sich gegenseitig beim Schnarchen zuzuhören. Zudem schwanden zusehends ihre mageren Einkünfte von den Konzerten aufgrund unvorhergesehener Ausgaben. Es würde knapp werden, wenn sie die Tour ohne Miese beenden wollten.
Dusk holte tief Atem und stand gähnend von seinem Bett auf. „Mage, hast du die Erdnussbutter?“
Er bahnte sich einen Weg durch den Bus bis nach vorne. Dort saß sein bester Freund seit Schulzeiten auf dem Beifahrersitz. Dusks Bruder Dawn war am Steuer und lenkte den langsam zuckelnden Bus den Highway hinunter. Ihr Schlagzeuger, Sid, schnarchte noch laut im Heck, und alles, was Dusk jetzt wollte, war etwas gegen die schlechte Laune.
Mage nahm die Füße vom Armaturenbrett und setzte sich um, um bequemer nach hinten blicken zu können. Er faltete die Straßenkarte zusammen, auf deren Benutzung er trotz der Existenz von Navigationssystemen bestand, und beugte sich runter zu dem kleinen Campingkühlschrank, in dem er das „gesunde“ Zeug aufbewahrte, von dem er und Dawn sich ernährten. Beide zogen es vor, Tankstellensnacks zu vermeiden.
Sein Gesicht blieb hinter seinen dicken Dreadlocks verborgen, während er in dem Schränkchen herumkramte. Als er sich wieder aufrichtete, konnte Dusk zu seinem Frust bereits die Antwort auf Mages Gesicht ablesen.
„Sorry, Mann, sieht so aus als wäre es alle.“
„Wir haben noch Mandelcreme“, sagte Dawn vom Fahrersitz her. Seine grünen Augen begegneten kurz Dusks im Rückspiegel, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte.
Dusk stöhnte auf und schlug mit der Faust gegen das Dach des Busses. „Scheiß auf Mandel. Ich will Erdnuss. Kann ich nicht einmal das haben, was ich will? Gibt’s hier vielleicht irgendwo ne Tankstelle?“
Er rieb sich sein Gesicht, das sich noch vom Schlaf verquollen anfühlte. Das erinnerte ihn daran, dass er seit drei Tagen nicht mehr geduscht hatte.
„Man kann halt nicht immer alles haben. Dein Bruder ist gefahren, während du schlafen durftest. Also hör jetzt auf, dich wie ein Baby aufzuführen“, sagte Mage und setzte sich wieder ordentlich auf den Beifahrersitz.
Dawn machte den Mund auf, aber bevor er etwas sagen konnte, packte Dusk die Rückenlehne von Mages Sitz und starrte ihn an. „Ich führe mich wie ein Baby auf? Haben wir nicht gestern erst unsere gesamte Tagesroute geändert, nur weil er das Museum für Luft- und Raumfahrt besuchen musste?“
Dawn warf ihm noch einen kurzen Blick zu. „Das ist was anderes. Das gibt es schließlich nicht an jeder—“
Dusk hämmerte noch mal gegen das Dach. „Verdammte Scheiße nochmal! Ist das echt zu viel verlangt? Ein bisschen Erdnussbutter, um den Tag damit zu beginnen?“
Sid stöhnte im Heck und blinzelte hinter dem provisorischen Vorhang hervor, der vor seinem Bett hing. Sein roter Irokesenkamm klebte nach einer Nacht auf dem Kissen traurig und zerdrückt an seinem Schädel. „Was’n das für‘n Lärm?“ fragte er und streckte seine langen Arme nach der Reisetasche aus, in der er seine Zigaretten aufbewahrte.
„Dusk will Erdnussbutter haben und er kriegt gerade einen Wutanfall, weil die alle ist.“
Sid kaute eine Weile auf dieser Erklärung herum. „Naja, also, ich hätte jetzt auch nichts gegen ein bisschen Erdnussbutter, wenn ich mal ehrlich bin.“
Dusk breitete seine Arme aus. „Na bitte.“
„Und vielleicht eine Morgenfluppe, ohne dafür meinen Kopf aus dem Fenster strecken zu müssen“, fügte Sid hinzu. Mage rutschte tiefer in seinen Sitz und gab sich geschlagen.
Dawn drückte ihm kurz die Schulter. „Da war sowieso gerade ein Schild. Wir müssten jeden Moment an eine Tanke kommen.“
Dusk stieß seine Faust gegen Sids und lief dann durch den Bus bis ganz nach hinten. Sein Haar, das ihm bis zum Hintern ging, war sein ganzer Stolz, und er wäre lieber gestorben, als schlecht frisiert in der Öffentlichkeit gesehen zu werden.
Die Tankstelle erschien am Horizont, wie eine Oase mit dem Versprechen einer Erdnussbutterquelle, die Dusks quälenden Durst löschen würde. Vor dem blau-weißen Gebäude standen nur zwei weitere Autos. Auch wenn es heruntergekommen aussah und sich der Putz schon löste, so versprach es doch Schatten, Erfrischungen und sogar die Möglichkeit, das kleine separate Toilettenhäuschen zu benutzen.
Dawn parkte den Bus auf der gegenüberliegenden Straßenseite und schaltete den Motor ab, bevor er in den Campingkühlschrank langte und eine Flasche kaltes Wasser rausholte.
Dusk tauschte das ausgeleierte T-Shirt, in dem er geschlafen hatte, gegen ein frisches, schlüpfte in eine Jeans, fädelte einen nietenverzierten Gürtel durch die Schlaufen, und dann rannte er los.
„Keine Tränen, Dawn. Ich bringe dir was Nettes mit!“ rief er lachend auf dem Weg nach draußen.
Die Sonne traf ihn wie ein glühender Vorschlaghammer. Er kniff die Augen zusammen und rannte über den Parkplatz bis in den Schatten des Vordachs. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln als er den Namen des Eiscremeherstellers im Schaufenster sah. Wenn sie hier schon gehalten hatten, konnte er sich ja zur eher deftigen Erdnussbutter auch noch etwas wirklich Süßes gönnen. Oder möglicherweise ein Erdnussbutter-Eis abgreifen und so einen absoluten Frühstückssieg davontragen.
Der Laden umfing ihn mit frischer, kühler Luft, die er mit Genuss einsog. Dann warf er sich zwischen die Regale auf der Suche nach seinem Schatz. Er konnte sie schon ausmachen, aus der Ferne, zwischen Marmelade und Kaffee—aber wer zum Teufel war das?
Dusk vergaß zu atmen, als eine traumhafte Kreatur mit rosa Mähne vor ihm durch die Gänge zwischen den Regalen glitt und dabei den Kopf im Takt zur Musik schwingen ließ, die nur sie durch die mint-farbenen Kopfhörer hören konnte. Leichtfüßig glitt sie weiter, und Dusk musste dem Kerl einfach folgen, als wäre er das Kaninchen, das ihn ins Wunderland bringen würde.
Seine Haare waren zu zwei dicken, französischen Zöpfen geflochten. Von seinem Rucksack schwang ein Paar Rollerblades an den Schnürsenkeln. Jeder hypnotisierende Schwung der schmalen Hüften in den passgenauen, knielangen Jeans Shorts rief Dusk stärker zu dieser Kreatur, die so wenig in diese farblose, staubige Gegend passte, dass sie direkt aus einem Märchen in die Wüste von New Mexiko getreten sein musste. Die nackten Waden, wohlgeformt und leicht von blondem Haar bedeckt, zuckten während dieser Engel durch die Gänge des Tankenstellenladens tanzte.
Er hielt erst vor dem Regal mit den Zeitschriften inne, wo er ein Musikmagazin auswählte. Dabei lehnte er sich locker gegen die Wand und erlaubte Dusk so endlich einen Blick auf das Profil seines zugleich knabenhaften und doch kantigen Gesichts. Während er durch das Magazin blätterte, schien er ganz in seiner eigenen kleinen Welt versunken zu sein.
Er hob einen Arm – tätowiert in pastellfarbenen Formen, die Dusk aus der Ferne nicht ausmachen konnte – und zog einen kleines, weißes Stäbchen aus seinem Mund, das sich als Stiel eines schockierend pinken Lollipops entpuppte, an dem er wohl die ganze Zeit schon gelutscht hatte.
Dusk leckte sich die Lippen und wünschte sich, er könnte die Stelle dieses Lutschers einnehmen. Neben den Hüten war ein Spiegel an der Wand angebracht. Dusk warf einen prüfenden Blick hinein, um sicherzugehen, dass er keinen offensichtlichen Schmierfleck mitten im Gesicht hatte oder etwas in der Art. Dann trat er von hinten an diesen pastellfarbenen Schmetterling heran. Der Typ war süß und bunt, aber er hatte auch ein paar raue Ecken und Kanten. Man konnte auf dem Nacken eine Tätowierung erkennen, und sein Nasenbein war gepierct. Mann, wie gerne hätte Dusk jetzt seine Hand über den Adamsapfel dieses Kerls gleiten lassen.
Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann ihn jemand das letzte Mal so sprachlos hatte dastehen lassen. Normalerweise war er wirklich alles andere als schüchtern. Aber beim Anblick dieses Kerls, mit seinem Lolli, der ihm so sorglos aus dem Mund ragte, hier, in dieser Tankstelle in der Mitte von Nirgendwo, das alles gab Dusk eine trockene Kehle, und verschwitzte Hände, und eine Erektion, die um Gnade bettelte.
Lolli blinzelte und stieß ein kurzes Lachen aus. Er starrte etwas in dem Magazin an, das er noch in den Händen hielt. Dabei wiegte er seinen Körper im stummen Rhythmus seiner Kopfhörer und für einen Moment schlug er den Lutscher im Takt dazu gegen seine Lippen, bevor er ihn wieder gierig in seinen Mund saugte. Jedes Mal wenn er lächelte, tanzte der kleine schwarze Stern unter seinem Auge. Dusk hatte zuerst gedacht, dass der aufgemalt sei, aber nein, er entpuppte sich bei genauerer Betrachtung als Tätowierung.
Das war es. Dusk musste dieses Zuckerstück einfach anknabbern.