Mr. B. ist ein Typ, bei dem es nichts ausmacht, dass Jo in ihn verschossen ist. Er ist einfach ein absolut süßer, bärtiger Holzfällergott, den man anschmachten kann. Dazu kommt noch seine freundliche, kontaktfreudige Persönlichkeit, und Mr. B wäre vielleicht der erste Typ, den Jo gerne küssen würde. Glücklicherweise ist Mr. B seit Jahren in einer Beziehung und Jo zerstört so etwas nicht.
Aber als Mr. B mit seinem Partner Schluss macht, plötzlich Single und zu haben ist, und über seine Pläne redet, sexuell abenteuerlustig zu sein, ist sich Jo nicht mehr sicher, ob er den Mut hat, sich als bisexuell zu outen.
Nach einer schwierigen Trennung will Mr. B seinem Ex beweisen, dass er unabhängig und sehr wohl attraktiv ist und ohne ihn klarkommt. Sein bester Freund Jo ist zur Rettung da und sie kommen auf eine großartige neue Geschäftsidee. Das einzige, was ihnen fehlt, um ihre eigene Kollektion selbstgemachter, alkoholhaltiger Marmeladen zu vermarkten, ist das Geld für den Einstieg.
Nach einem Brainstorming in volltrunkenem Zustand findet Mr. B einen Weg, um sowohl an das Geld zu kommen, als auch seinem Ex den Mittelfinger zu zeigen: Er wird ein einzigartiges Hipster Bordell gründen – die lumbersexuelle Erfahrung: Holzfällerlektionen, Pfeife rauchen, magische Momente und das alles in einem Bett aus recyceltem Holz. Der Erfolg ist vorprogrammiert… wenn Mr. B es nur durchziehen könnte, weil die gemischten Signale, die Jo ihm schickt, ihn daran zweifeln lassen, ob sein bester Freund tatsächlich so hetero ist, wie er immer erschien.
Themen: Hipster, Sex-for-sale, Freunde zu Liebhabern, Bisexualität, Nach-Trennungs-Probleme, Coming-out, erstes Mal, alternative Lebensweisen, Lumbersexueller Bär, Beziehung
Genre: Gay Romance
Länge: ~50 000 Wörter (eigenständige Geschichte)
Warnung: expliziter Inhalt, derbe Sprache. Schamlose Verwendung von Phrasen. Kann Fremdschämen hervorrufen
Im flackernden Schein der Taschenlampe, die vorne an Jos Rad befestigt war, glich die matschige Straße einem Hindernisparcours aus Steinen und Pfützen. Auch wenn der Himmel außerhalb Seattles klar war, musste er, nachdem er die asphaltierte Straße verlassen hatte, erheblich die Geschwindigkeit verringern und war nun froh, endlich die Lichter seines Zieles zwischen den Bäumen näher kommen zu sehen.
Die Bäume füllten seine Lungen mit frischer, etwas feuchter Luft, die nach Unterholz und Gras roch. Der Duft beruhigte ihn, obwohl ihm etwas unbehaglich wurde, weil die Bäume auf beiden Seiten des Weges große, unheimliche Schatten warfen.
Wenigstens war Mr. Bs Grundstück nicht mehr weit weg. Es hätte viel mehr Sinn für Mr. B gemacht, bei seinem Bruder oder auch bei seinen Hippieeltern zu wohnen, anstatt in den verlassenen Zugwaggons ohne W-Lan oder anderer Annehmlichkeiten, in denen er jetzt hauste. Aber Jo wusste, wie sehr Mr. B diesen Ort liebte, und so würde er ihm das nie unter die Nase reiben.
In der Dunkelheit war nicht einmal die abblätternde Farbe an den Seiten des Waggons so unschön anzusehen wie bei Tageslicht und Jo konnte nicht behaupten, dass er nicht gerne Zeit hier verbrachte. Immerhin verpasste es ihm jedes Mal eine dringend benötigte digitale Detoxkur.
Und dann war da natürlich Mr. B.
Mr. B öffnete die Tür des Waggons und Licht strömte nach außen. Er war so groß, dass er beinahe den ganzen Türrahmen ausfüllte. Der übergroße Pullover, den er trug, ließ ihn noch zusätzlich eindrucksvoller wirken.
Das war übel. Die hässliche, gelbe Abnormität dieses Pullovers wagte sich nur ans Licht, wenn Mr. B sich schlecht fühlte. Wenn Jo sich bisher nicht sicher gewesen wäre, dass es die richtige Entscheidung war, die Auktion für die Xxterior-Boots während der letzten Minuten zu verlassen, dann wäre er es spätestens jetzt. Mr. B brauchte ihn und wenn Trael_457 ihn wieder überbot, dann war das jetzt eben so.
Jo stieg von seinem Rad und öffnete das instabile Holztor des Zaunes, der das Stück Land, auf dem die Waggons standen, vom Rest der Umgebung abtrennte, um das Grundstück zu betreten. »Es tut mir leid, dass ich nicht schneller hier sein konnte, aber ich konnte nicht eher Feierabend machen«, sagte er und eilte zur thronenden Silhouette seines Freundes. Sein Fahrrad ließ er einfach liegen. »Aber ich habe uns Essen besorgt«, fügte er hinzu und präsentierte die Papiertüte ihrer Lieblingsbäckerei, welche die besten Sandwiches der Stadt machte. Er hatte sogar Mr. Bs Lieblingssorte, die Redvelvet Kekse mitgebracht, um ihn nach den Ereignissen des heutigen Tages aufzumuntern.
Dem Pulli nach zu urteilen, hätte Jo auch die Snickerdoodles mitbringen sollen.
»Cool, danke. Tut mir leid, dass du so spät in der Nacht noch rüberkommen musst. Es ist eigentlich gar keine so große Sache. Ich hätte mich deswegen nicht so anstellen sollen.« Mr. B seufzte so schwer, dass sein blonder Oberlippenbart bebte.
Jo stieg die Metallstufen nach oben, legte seinen Arm um Mr. Bs Schultern und drückte ihn, um ihm sein Mitleid auszudrücken. Jetzt fühlte er sich schlecht, weil er sich gefreut hatte, als er von Mr. Bs Trennung erfahren hatte. »Sag das nicht. Akashas Schönheits-OP-Skandal war keine große Sache und ich habe heute fünf Artikel dazu schreiben müssen.« Er seufzte und verweilte in der Umarmung. Dabei atmete er den Duft des würzigen Parfüms und den herben Geruch des Bartwachses, die Mr. B immer umgaben, ein.
Als Mr. B ihn ungestüm umarmte, machte sich die Schuld brennend heiß in seinem Inneren bemerkbar. Ein Schauer rann über seinen Rücken. Er sollte diese Umarmung nicht so genießen. Er sollte lieber darüber nachdenken, wie er seinen besten Freund aufmuntern konnte und nicht darüber grübeln, wie er am besten dessen emotional desolaten Zustand ausnutzen konnte.
Wenigstens konnte sein Witz Mr. B eine Mischung aus Glucksen und missbilligendem Brummen entlocken.
»Sagte Jo Lau, der wenigstens noch einen Job hat.«
Jo blinzelte und trat zurück, um Mr. B ins Gesicht zu sehen. »Was? Er hat mit dir Schluss gemacht und dich zu allem Überfluss auch noch gefeuert?«, fragte er. In seiner Faust kribbelte es voller Zorn. Er hätte Mr. Bs Ex am liebsten verprügelt, wäre er in der Nähe gewesen. »Was für ein Mistkerl! Wer macht denn so etwas?«
Mr. B rieb sich das Gesicht und Jos Herz brach, als er sah, dass seine Augen ganz rot waren. Dennoch konnte er aber nicht anders, als die dichten, hellen Wimpern, die seine Augen umgaben, zu bewundern.
»Es ist nicht seine Schuld. Ich habe irgendwie… gekündigt. Ich meine… Ich kann nach all dem doch nicht mehr für ihn arbeiten, oder? Es wäre merkwürdig.« Er zog Jo in die gemütliche Wärme des alten Zugwaggons. Dieser fühlte sich heimelig an, trotz des Gerümpels, das überall gestapelt war. Und auch gar nicht wie ein Messie-Paradies. Der Geruch nach Kirschtabak und Kaffee verstärkte das Gefühl des Friedens, welches Jo hier immer empfand.
Er schloss die Tür hinter sich und ging zu den drei Matratzen, die mit Decken und Läufern bedeckt waren. Das war der einzige Platz, auf dem man im Waggon sitzen konnte. Er stellte die Sandwiches ab, trat seine Stiefel beiseite und setzte sich, während er Mr. B am Unterarm mit sich zog.
Sich mit seinem Vorgesetzten einzulassen war nie eine gute Idee und jetzt musste der arme Mr. B die Konsequenzen ertragen. »Ja, das glaube ich auch. Tut mir leid. Gibt es irgendwas, das ich tun kann?«
Mr. B setzte sich neben den kleinen Tisch, auf dem seine Pfeife und eine Schachtel Streichhölzer lagen. »Nein. Ich meine — ja. Danke fürs Vorbeikommen. Ich brauche wirklich jemanden, bei dem ich mich ausheulen kann. Ich denke, es wird Zeit, den Whiskey aufzumachen.«
Jo stellte das Essen zwischen ihnen auf zerrissene Papiertüten und Servietten. Er hatte sogar den Verkäufer in der Bäckerei dazu überreden können, doppelt Bacon auf Mr. Bs Sandwich zu legen, doch jetzt war er sich nicht sicher, ob selbst die allerkrossesten dieser fettigen Schweinebauchstreifen helfen konnten. »Sicher. Schimpfe nach Herzenslust. Lass alles raus«, sagte er.
Mr. A, Mr. Bs Ex-Freund, war ein Idiot. Jo wusste das seit langer Zeit. Ihre Beziehung war seit mindestens einem Jahr auf dem absteigenden Ast gewesen, worüber Mr. B ständig aufgebracht gewesen war und seit dieser Zeit zählte Jo die Tage, bis diese Beziehung gänzlich auseinander brechen würde.
Jetzt fühlte er sich das erste Mal schuldig wegen dieser Fantasien.
Mr. B war mit Mr. A bereits zusammen gewesen, als Jo ihn vor vier Jahren kennengelernt hatte. Deswegen hatte er nie wirklich darüber nachdenken müssen, wie es wäre, wenn Mr. B Single wäre. Sie verstanden sich wunderbar, seit sie sich im Crossfit kennengelernt hatten. Jo konnte damals nicht anders, als auf Mr. B zuzugehen, um ihn zu fragen, welche die Workouts des Tages wären. Er versuchte cool zu wirken. Aber Mr. B, der alle Punkte auf seiner gedanklichen Checkliste erfüllte, brachte ihn aus dem Konzept und das Einzige, was ihm einfiel, war: ›Was ist das WdT?‹.
Doch so plump das auch war, Mr. B schien es nicht zu stören. Die zwei gingen nach diesem unvergesslichen Training sogar zusammen etwas essen. Seit damals war die Tatsache, dass Jo sich zu Mr. B hingezogen fühlte, immer nur ein leises Summen in der hintersten Ecke seines Gehirns gewesen. Bis Jo sich letztes Jahr schließlich so heftig in ihn verknallt hatte, dass er kaum noch auf Dates ging, nachdem seine letzte etwas ernstere Beziehung zu Juniper geendet hatte.
Jo verfluchte seine Grübelei, als er bemerkte, dass er die erste Hälfte von Mr. Bs Satz nicht mitbekommen hatte.
»— ob ich überhaupt noch Mr. B genannt werden sollte. Ich habe den Spitznamen bekommen, weil ich Mr. As Partner war und jetzt habe ich mich so daran gewöhnt, dass ich ihn nicht mehr ändern möchte. Er ist ein Teil meiner Identität. Er kann mir das nicht einfach wegnehmen.«
Jo nickte schnell. Er fand, den Namen Bernhard ganz schön, aber er hatte Mr. B nun mal als… nun ja, Mr. B kennengelernt. »Wenn du ihn magst, dann gehört er dir. Arnold kann dich mal…« Mr. As Namen zu erwähnen wirkte Wunder und brachte Mr. B ein wenig zum Lächeln. Arnold hasste seinen Namen. Das war der Grund, warum er sich selbst in erster Linie diesen Spitznamen verpasst hatte.
»Verdammt. Ich weiß nicht, wo die Gläser sind.« Mr. B suchte in den Kartons, die er in aller Eile gepackt haben musste, als er Mr. As Haus verlassen hatte. »Gehen die?« Er hob die Augenbrauen und deutete auf leere Marmeladengläser, die auf einer der Boxen standen.
Jo zuckte mit den Schultern und löste seine langen Haare aus dem Haargummi, um den Haarknoten zu richten, der während der langen Fahrt von der Stadt hierher zerzaust worden war. »Sicher. In die geht mehr rein«, sagte er und grinste Mr. B dabei an. Mr. B schaute ein paar Sekunden nachdenklich drein. »Also… Ich habe dir das nie erzählt, aber vor ein paar Monaten sagte Mr. A… dass er eine offene Beziehung führen will.« Mr. B goss sich stirnrunzelnd den Orangenschnaps ins Glas. Selbst seine, wie immer kurzen, glatten Haare waren heute ein einziges Durcheinander. Jo schaute ihn finster an. Er war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. Offene Beziehungen schienen eine gängige Praxis für schwule Männer zu sein und auch er selbst hatte es vor ein paar Jahren mit einer seiner Ex-Freundinnen versucht. Aber der Blick auf Mr. Bs schönes, normalerweise lächelndes Gesicht veranlasste ihn dazu, den Mund zu halten und zuzuhören.
Mr. B reichte Jo ein Glas mit intensiv riechendem Inhalt. Der Schnaps musste eine von Mr. Bs hausgemachten Kreationen sein. »Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Aber ich dachte mir, dass ich es versuchen könnte. Wenn er so scharf drauf war, andere Leute zu ficken, dann sollte ich ihn das vielleicht einfach lassen… Ich weiß selbst nicht, was ich mir dabei gedacht habe.« Mr. B nahm einen großen Schluck aus dem Glas. »Er fand immer neue Kerle, mit denen er schlafen konnte. Und ich fragte mich immer mehr, wie unsere Beziehung in dieser neuen Situation funktionieren sollte. Ich weiß nicht mal mehr, wann wir uns auseinandergelebt haben.«
Jo sog seine Lippen ein und beobachtete Mr. Bs Gesicht. Ein schmerzlicher Ausdruck huschte darüber. Jo war ratlos. Seine Hände umklammerten das Glas. Einen Moment später rutschte er herum, um dich direkt neben seinen Freund zu setzen. Während er einen Arm um diesen legte, stieß er ihre provisorischen Gläser prostend aneinander. Er kannte Mr. B lange genug, um zu wissen, wie er mit seinen Emotionen umging. Das erste Mal bemerkte Jo, dass etwas in Mr. Bs Beziehung nicht stimmte, als sie alle zusammen in einer Bar waren und Mr. A Mr. B vorwarf, zu sehr zu klammern. Jo hatte sich damals nichts dabei gedacht, doch die Situation verschlechterte sich rapide.
Jo erwischte sich dabei, dass er erneut den Duft seines Freundes gierig aufsog, als Mr. B sich mit seinem starken, aber gleichzeitig auch so kuscheligen Körper an ihn presste. Würde Mr. B ihn abweisen, wenn Jo ihn in diesem Moment anmachen würde? Es erschien als gute Gelegenheit, um endlich mit seinen Gefühlen herauszurücken. Doch Mr. B war offensichtlich noch nicht über Mr. A hinweg und das würde Jo nur zu einem Lückenbüßer machen.
Er wollte vieles für Mr. B sein, aber kein Lückenbüßer.
Mr. B schniefte und nahm die Nähe dankbar an. »Selbst letztes Jahr dachte ich noch, dass Mr. A und ich eine Zukunft zusammen hätten, doch in den letzten paar Monaten… Ich habe es irgendwie kommen sehen und wusste nur nicht, wie ich von ihm wegkommen sollte. Ich wohnte bei ihm, arbeitete in seinem Möbelgeschäft und war seit Jahren nicht mehr Single gewesen. Ich denke, dass ich noch gar nicht richtig realisiert habe, dass endgültig Schluss ist.« Er schüttelte den Kopf und bemerkte Jos zwiespältige Gefühle für ihn nicht.
Es gab aber auch gar nichts, was Jo mehr wollte, als dass sich Mr. B besser fühlte. Diesen Mann mit dem sonnigen Gemüt, welches Jo so liebte, derartig niedergeschlagen zu sehen war beinahe schon körperlich schmerzhaft. Aber andererseits wusste Jo überhaupt nicht, was er tun sollte. Vor Mr. B gab es noch nie einen Mann in Jos Leben, für den es sich gelohnt hätte, aus seinem bisexuellen Versteck zu kommen. Jo liebte Frauen. Er konnte mit ihnen ausgehen, Spaß mit ihnen haben und so gleichzeitig seine Eltern glücklich machen, während er die LGBT Gemeinschaft unterstützte. Nur war er eben auch ein Teil der LGBT Gemeinschaft. Eine Tatsache, die selbst sein bester Freund nicht kannte. Und vielleicht war das der Grund, warum Mr. B und Jo sich so nahestanden. Als Mann, der auf Frauen stand, war er als Freund für Mr. B genauso ungefährlich wie ein schwuler Mann für eine Frau. Mr. B konnte an Jos Schulter sein Herz ausschütten und sich sicher sein, dass Jo seine Schwäche nicht ausnutzen würde.
Aber schon die ganze Zeit spielte Jo im Geheimen mit dem Gedanken, was er tun würde, wenn Mr. B wieder Single wäre. Er hatte sich in seinem Kopf schon komplette Szenarien ausgemalt. Aber jetzt, wo die Möglichkeit bestand, diese auch umzusetzen, konnte Jo nichts gegen die Angst unternehmen, die sich in ihm festsetzte. Angst, die aufkam, wenn er nur daran dachte, sich endlich direkt seiner Bisexualität zu stellen, anstatt sich immer nur Pornos anzuschauen.
»Es tut mir leid. Du verdienst jemanden, der nur dich liebt. Du bist der beste Kerl, den ich kenne«, flüsterte Jo, während er langsam den Kopf drehte, um Mr. B anzuschauen. Sein Kinn rieb an Mr. Bs weicher Wange entlang, bis sie sich ansahen.
Mr. B lächelte leicht und nippte am Alkohol. »Und das ist der Grund, warum ich gehofft hatte, dass du vorbeikommst. Ich brauche jemanden, der positiv denkt. Ich werde nicht rumsitzen und jammern, weil Mr. A Schluss gemacht hat. Ich brauche einen Plan. Ich muss eine neue Arbeit finden, weil meine Ersparnisse nur für eine kurze Zeit reichen werden. Na, wenigstens muss ich hier keine Miete zahlen, weil das Grundstück meinem Bruder gehört.«
Jo schluckte und hob die Hand. Beduselt strich er damit ein paar wirre Haare an Mr. Bs Bart glatt. Der Bart war so weich, dass er am liebsten sein komplettes Gesicht in den dichten Haaren vergraben würde. Er selbst wechselte ab zwischen dunklen Stoppeln und einem glattrasierten Gesicht. Und er gab zu, dass er irgendwie eifersüchtig auf Mr. Bs Bartwuchs war. Hätte er einen Bart wie Mr. B, würde er ständig daran herumspielen. »Genau. Es gibt viele Fische im Meer.«
Mich zum Beispiel. Ich bin der eine Fisch, von dem du nicht weißt, dass er nicht nur genießbar, sondern sogar köstlich ist, wenn man ihn nur richtig zubereitet.
Jo war nicht mehr zu helfen. Und als er Mr. Bs helle Augen aus der Nähe sah, konnte er nicht mehr anders, als an die weich aussehenden Lippen zu denken, die nach Moonshine and Cherry Tabak schmecken mussten.
Mr. B schüttelte den Kopf. »Ich weiß gar nicht, ob ich gerade eine Beziehung will. Ich bin den ganzen Mist leid, den ich mit Mr. A durchgemacht habe. Weißt du was?« Mr. B stieß sein Glas gegen Jos. »Ich bin eigentlich froh, dass es vorbei ist. Für mich kann es von jetzt an doch nur aufwärts gehen. Ich habe hier die ganzen Möbel vom Schrottplatz meines Bruders, die ich schon seit Ewigkeiten restaurieren wollte, aber durch die Arbeit und das Zusammenleben mit Mr. A habe ich nie Zeit dafür gehabt.«
Jo nahm schnell einen großen Schluck des starken Alkohols und war überrascht von dessen fruchtigem Beigeschmack. Das war eine neue Wendung. »Amen. Du brauchst diesen alten Bock nicht. Und außerdem hat er dich die ganze Zeit nur gebremst.« Mr. B zog nickend an Jos Dutt. »Ja, nicht wahr? Ich habe so viel Potenzial. Dieser Schnaps hier zum Beispiel. Der ist verdammt lecker und ich habe ihn selbst gebrannt. Mir gehört dieser Waggon hier und ich habe so viele kreative Ideen. Es gibt so vieles, was für mich spricht. Dieses langweilige Möbelgeschäft kann mich mal. Ich glaube sowieso, dass es inzwischen viel zu viel dem Mainstream entspricht.«
»Ja, nicht wahr?«, stimmte Jo zu. Schnell leerte er das Glas mit dem köstlichen Alkohol, und seine Kehle und Brust wurden auf einen Schlag warm. »Baumstümpfe für 200 Dollar pro Stück als Stühle verkaufen? Ich habe nie was gesagt, weil ich dachte, dass du sauer wirst, aber ich habe immer geglaubt, dass das null Kreativität besitzt. Deine Möbel und Designs waren immer viel origineller. Man konnte die Ideen, die du dabei hattest, beinahe spüren. Du weißt schon, wenn du zum Beispiel Basilikumeiscreme herstellst und es einfach passt, auch wenn man denkt, dass das gar nicht geht.«
Jos Herz schlug schneller, als Mr. Bs Lippen sich zu einem breiten Lächeln verzogen. »Hmmm… Basilikumeiscreme.«
»Oh ja, wir müssen unbedingt wieder was davon machen«, sagte Jo und schenkte sich noch mehr Schnaps ein. »Aber, weißt du, mehr so wie dieses Zeug hier. Stell dir vor, solche Marmelade. Eingemachtes für Erwachsene. So was könntest du machen.«
Mr. B nickte eifrig und schaute in sein Glas. »Zur Hölle, ja, das könnte ich tun. ›Boozy jams‹ ›Preseviquers‹—« Er verzog das Gesicht. »Nein, das klingt nicht gut. ›Mr. Bs Bier-Marmeladen‹?«
Jo biss in einen der Redvelvet Kekse. »Frooze? Moonjam?«
Mr. B lachte laut auf. Seine Wangen waren gerötet und Jo fragte sich, ob er wohl auch so aussah, wenn er erregt war. »Ich mag Moonjam. Lass die Ideen weiter fließen! Jo, das könnte total mein neues Ding werden. Warum auch nicht? Ich brauche schließlich eine neue Beschäftigung.«
»Ganz genau. Und du weißt, wie viel man für selbstgemachte Produkte verlangen kann. Es könnte ein großartiges Geschäft für dich werden, vor allem weil deine Familie eine Farm betreibt. Du kannst ihre Erzeugnisse verarbeiten. Dann ist alles 100 % biologisch-dynamisch.«
Mr. B lehnte sich zu Jo rüber und drückte ihm einen dicken Schmatz auf die Wange. »Gut mitgedacht. Ich zeige Mr. A, dass ich sehr gut alleine klarkomme.« Er stand auf und griff sich seine Pfeife. »Ich bin 28, mache Crossfit und habe Talent. Ich bin in der Blüte meines Lebens. Er kann mich mal kreuzweise.«
Der Kuss brannte auf Jos Wange. Er fühlte sich so heiß an, dass er am liebsten das Shirt ausgezogen hätte. War wohl besser, das Thema zu wechseln. »Wie viel Startkapital hast du?«
Mr. B leckte sich über die Lippen und starrte Jo stumm an, wodurch die Temperatur im Raum weiter anstieg. »Ich muss vorher noch was sparen.« Anstatt sich die Pfeife sofort anzuzünden, zog er sich den gelben Pulli aus und demonstrierte, dass er eines von Jos Lieblingsshirts trug. Es war grau kariert und schmiegte sich perfekt an Mr. Bs starke, tätowierte Arme und Brust.
Jo nickte, und hielt mühsam seinen Blick auf rosige Wangen und glasige Augen gerichtet. »Also… wenn du irgendwie Hilfe brauchst… ich bin da. Du weißt, mein Job ist weder das Gelbe vom Ei noch ein Vollzeitjob.«
Mr. B ließ es sich einen Moment durch den Kopf gehen, während er seine Pfeife anzündete und den Raum augenblicklich mit noch mehr Kirschqualm füllte. »Wenn du Zeit und ein bisschen Geld übrig hast, könnten wir uns zusammentun und das Geschäft zusammen aufbauen.« Bereits selbst ein wenig beduselt, goss er Jo wieder Alkohol nach. »Wir könnten die Marke nach uns beiden benennen, du weißt schon, unsere Namen verbinden. Jornard, beispielsweise.«
Jo stieß stumm die Luft aus, trank prompt noch einen Schluck und beobachtete Mr. B. Der Kuss brannte noch immer auf seiner Wange. Er hatte genug über Brangelina schreiben müssen, um zu wissen, was Jornard andeutete. »Das klingt, als wären wir verheiratet. Außerdem habe ich nicht so viel Geld. Ich könnte nur meine Zeit beisteuern. Aber wir könnten vielleicht eine Art Crowdfunding für das Startkapital starten?«
Mr. B nickte. Mit seiner Pfeife im Mund sah er sehr ernst aus. Oder absolut lächerlich. Jo war sich nicht sicher, welches davon zutraf. »Das ist gut. Das gefällt mir.« Er zog einen Notizblock hervor und setzte sich zurück neben Jo, seinen Oberschenkel an Jos gepresst. »Also, ich muss schnell zu etwas Geld kommen. Was steht mir zur Verfügung?«
»Du. Ich. Deine Waggons«, sagte Jo und bot ihm einen Keks an. Er war froh, dass der Trübsinn von vorher von Mr. Bs Gesicht verschwunden war.
Mr. B aß den Keks direkt aus Jos Fingern anstatt ihn in die Hand zu nehmen, weil er in einer Hand seine Pfeife hielt und mit der anderen etwas in sein Notizheft kritzelte. Ohne nachzudenken schob sich Jo den Rest des Kekses in den eigenen Mund, den Blick weiterhin auf Mr. B gerichtet.
»Ja. Ich hatte noch nicht viel Zeit, das hier alles herzurichten, aber ich habe ja noch das Zeug vom Schrottplatz. Wenn ich die Waggons etwas aufmotze und herrichte, könnte ich sie vielleicht vermieten«, sagte Mr. B und schob sich den Stift hinters Ohr.
Jo nickte eifrig und schluckte den Kloß in seinem Hals mit einem Schluck Schnaps hinunter. »Du könntest ein Erlebnis draus machen. Du siehst auf jeden Fall kompetent aus. Du könntest den Leuten beibringen wie man Holz hackt oder einfache Möbel herstellt.«
Mr. B lachte und öffnete den Mund, damit Jo ihn mit einem weiteren Stück Keks füttern konnte, während er weiterhin Notizen machte. »Oh Mann. Das stimmt. Wenn ich’s richtig aufziehe, eine schicke Website dafür erstelle, mit professionellen Fotos und allem, dann könnte ich es als ›das Holzfäller-Erlebnis‹ verkaufen.« Er wackelte kokett mit den Augenbrauen.
Jo grinste und nippte an seinem fruchtigen Schnaps. Halluzinierte er oder hatte Mr. B den Blick gerade über seine Brust nach unten schweifen lassen? Er war sich nicht sicher, da sein Kopf leicht zu schwirren begann. Er war schon immer ein Leichtgewicht gewesen und Mr. Bs Alkohol war stärker als der Geschmack es vermuten ließ. »Ich könnte es mit dir ausprobieren.«
Mr. B prustete so sehr, dass er einige Krümel ausspuckte. »Das klingt so versaut. Es soll ein Erlebnis sein. Kein Hipster Bordell!«
Jo grinste und schlug Mr. B auf den Arm. »Hipster Bordell? Wie soll das funktionieren? Als Pop-Up auf dem lokalen Bauernmarkt?«
Mr. B konnte nicht aufhören zu lachen. Er trank einen weiteren Schluck des süßen Alkohols. »Ein Pop-Up Bordell. Das gefällt mir. Ich hab’ schon einen Slogan! ›Bring deine eigene Latte mit‹.«
Jo schüttete sich den Schnaps über die Hand, während er sich vor Lachen bog. Er trank aus und stellte das leere Glas beiseite, ehe er sich an einen Berg aus Kissen lehnte. »Ich hab’ was Besseres. Warte.« Er kniff die Augen zusammen und versicherte sich, Mr. Bs komplette Aufmerksamkeit zu haben. »Wir kümmern uns um deine Latte.«
Mr. B verschluckte sich so sehr an seinem Pfeifenrauch, dass ihm Tränen in die Augen schossen. »Lumbersexuelle Tischlerlektionen.«
Jo lehnte sich entspannt an die Kissen zurück, ließ seine langen Beine rechts und links zur Seite fallen und beobachtete Mr. B durch sie hindurch. Seine Haut wurde warm und kribbelte, als er sich vorstellte, wie Mr. B den angenehmen Rauch über seine Haut blies. »Klingt wie ein Kassenschlager.«
»Ich würde meine Hosenträger über nackter Haut tragen.« Mr. B lächelte… verführerisch? Oder bildete Jo sich das ein? »Ich würde eine dick gerahmte Brille tragen, den Bart perfekt getrimmt. Würde den Ort hier wie einen perfekten, rustikalen Zufluchtsort herrichten. Mit karierten Wolldecken und Leinenvorhängen.«
»Ein Bett aus wiederverwertetem Holz, mit einem antiken Bärenfell bedeckt«, fügte Jo hinzu, als er sich diskret auf den Bauch rollte, weil sein Schwanz begann, zu viel Interesse an dieser Vorstellung zu entwickeln.
Wäre Mr. B ihm nur nicht so wichtig, dann würde Jo es einfach wagen. War es ihm wert, ihre Freundschaft für die Möglichkeit auf mehr zu riskieren? Was, wenn er nicht mal Mr. Bs Typ war? Was, wenn sich alles zwischen ihnen veränderte und er dadurch seinen besten Freund verlor?
Mr. B rückte auf der Matratze näher an ihn heran und legte seine Pfeife beiseite, den Blick konzentriert auf Jo gerichtet. »Ich bin Single, ich bin aufgeschlossen, warum sollte ich es nicht wagen? Nur für eine Weile. Wenn wir das ganze Hipster Bordell Ding zu einem Erlebnis umfunktionieren, könnten wir ‘ne Menge Kohle damit machen. Davon hätten alle was, richtig? Irgendwer will bestimmt Sex und ich hab’ ‘nen guten Körper.«
Jo lachte, aber nicht einmal der Schnaps konnte ihm dabei helfen, dieser schönen Blödelei nachzugeben, wenn Mr. B ihn so ernst anschaute. »Oh… wärst du dazu bereit?«
Mr. Bs Blick wirkte nicht fokussiert, doch er nickte. »Nachdem ich schwul bin, wäre es nur für Männer. Ich mag Sex und Mr. A könnte mir so nie wieder unterstellen, dass ich langweilig wäre. Ich kann verdammt noch mal sexuell experimentierfreudig sein. Das Ganze könnte Spaß machen.«
Jo schob sich einen ganzen Keks in den Mund, nur um zu rechtfertigen, dass er noch ein paar Sekunden schwieg.
»Ich wette, die Leute würden gutes Geld für so eine Erfahrung bezahlen«, sagte er und schaute hinunter auf die Brust, die so breit war, dass sie die Knöpfe des Hemdes zu sprengen drohte.
»Stell dir vor, du wärst ein schwuler Kerl, auf der Suche nach einem einmaligen Erlebnis. Wie viel würdest du für eine Nacht mit mir zahlen?« Als wolle er Jo von der Frage ablenken, begann Mr. B sein Hemd aufzuknöpfen.
Jo erstarrte. Seine Gedanken drehten sich im Kreis, während seine Augen begierig darauf lauerten, dass mehr Haut enthüllt wurde. Sein Gehirn fühlte sich plötzlich zu groß an für seinen Schädel und er könnte schwören, dass, wenn sein Schwanz eine Gänsehaut bekommen könnte, dies jetzt der Fall wäre. »Ungefähr… eine Million Dollar?«
»Da hast du’s. Es ist sicher, dass ich damit schnelles Geld mache. Schau her. Ich habe sogar ein Tattoo, das dazu passt. Ich glaub nicht, dass ich es dir schon gezeigt hab.« Mr. B öffnete sein Hemd und schien mit den gut sichtbaren Brustmuskeln und dem weichen blonden Flaum, der sich von der Brust an abwärts erstreckte, angeben zu wollen. An Mr. Bs Seite, unter den Rippen, war das Tattoo einer Axt, die fest in einem Holzstumpf steckte, zu sehen.
Ohne nachzudenken berührte es Jo, ließ den Zeigefinger an dem verlängerten Griff der Axt auf- und ab wandern. Sanft strich er über die helle, weiche Körperbehaarung. Er wollte am liebsten sein Gesicht darin vergraben.
Mr. B grinste. »Ich lasse mir einen Baumstamm Schriftzug auf die andere Seite stechen.«
Jo schluckte und fuhr mit den Fingern über den sexy Flaum. Seine Fingerspitzen kribbelten, als er die rosige Haut entlangfuhr. Mr. B war herrlich verlockend, wie zuckerüberzogene Donuts, die man sich immer verwehrte, aber trotzdem unbedingt probieren musste. »Hier?«
Ein Klaps auf die Hand holte Jo aus seiner Fantasiewelt zurück. »Das ist wertvolles Gut. Du musst bezahlen, wenn du damit spielen willst.« Mr. B lachte. »Und ich habe die Million noch nicht«, murmelte Jo und wies sich innerlich für das, was er gerade getan hatte, zurecht. Es war gefährliches Terrain und der Augenblick könnte nicht unpassender sein. Mr. B zuckte mit den Augenbrauen und rieb sich mit der Hand so über die Brust, wie Jo es gerne tun wollte. »Nun, wenn du eine Millionen Dollar übrighast und bereit bist für die ›lumbersexuelle Erfahrung‹, dann bin ich dein Mann.«
Jo lächelte, obwohl er den Scherz nicht lustig fand. Mr. B war komplett blind für das, was Jo gerade getan hatte. Fast so, als wäre Jo ein geschlechtsloses Alien, welches Mr. Bs Blut nie im Leben in Wallung bringen konnte.
Geschah ihm ganz recht, nachdem er Mr. B nie gestanden hatte, vielleicht, möglicherweise, bisexuell zu sein.